Fleischessende Tierfreunde und andere Wunder der Natur

Liebe Artgenossinnen und Artgenossen,

es ist wirklich eine nette Geste von euch, wenn ihr mich umgehend darüber in Kenntnis setzt, dass ihr ausschließlich Bio-Fleisch esst, natürlich nur von Metzgern eures Vertrauens und sowieso nur dann, wenn ihr vor lauter Eisenmangel kaum noch aufrecht laufen könnt. Ehrlich, ich finde es drollig, wie doll ihr euch darum bemüht, dass ich euch trotzdem mag. Und wenn ihr ansonsten nette, anständige Menschen seid, sehe ich gar keinen Grund, warum ich das nicht tun sollte. Nicht einmal mit meinen veganen Freunden bin ich immer einer Meinung und das ist vollkommen in Ordnung.

Ja, ob man Fleisch isst oder nicht ist tatsächlich eine Meinung; eine persönliche Entscheidung, die jeder für sich selbst treffen muss, auch wenn es natürlich Vegetarier und Veganer gibt, die das anders sehen. Das Gesetz hat aber nun einmal irgendwann festgelegt, dass Tieren weitaus weniger Rechte zustehen als Menschen, deshalb bleibt mir gar nichts anderes übrig als eure kulinarisch motivierten Auftragsmorde zu tolerieren und im Stillen zu hoffen, dass ihr einfach irgendwann von alleine mit dem Fleischessen aufhört.

Es gibt aber eine Sache, die mich wirklich unglaublich aufregt. Bei der ich am liebsten grün anlaufen und mit Autos um mich werfen möchte. Bei der ich zur extremistischen, dummdreistnaiven, saatgutmenschigen Missionarin mutiere. Die Rede ist von Heuchlern.

Keiner mag Heuchler, keiner will mit einem Heuchler befreundet sein. Heuchler sind zum Beispiel diese unsympatischen Typen, die sich in der Flüchtlingsdebatte plötzlich große Sorgen um die Obdachlosen machen, deren Gelddosen sie sonst im Vorbeigehen immer ganz besorgt umkicken. Die sich über die Kriminalität einzelner Flüchtlinge empören und dann als Zeichen des Friedens die Unterkünfte duzender Unschuldiger anzünden. Die öffentlich Wasser predigen und heimlich Wein trinken.

Wobei; viele Heuchler machen sich ja nicht mal mehr die Mühe, ihren Wein heimlich zu trinken. Die schaffen es sogar, eine leidenschaftliche Hasstirade gegen einen Jäger loslassen, der einen berühmten Löwen aus Spaß tötete, während sie sich die Reste ihres leckeren 3€-Steaks aus den Zähnen pulen. Oder sich über Pelzträger aufzuregen, die Tiere nur wegen ihres Felles töten lassen, bevor sie genüsslich in ihren fetttriefenden BigMac beißen.

„Moment“, wird jetzt der ein oder andere von euch rufen, „es ist etwas anderes für Essen zu töten, als für eine Trophäe oder für Pelz. Wenn ich eine Trophäe will, kann ich auch Sportler werden und wenn ich einen Mantel will, kann ich auch einen aus Stoff nehmen.“ Dann werde ich ihn anlächeln und warten. Ich werde mir langsam ein Stück meiner gegrillten Gemüsefrikadelle abschneiden und es mir andächtig in den Mund schieben. Ich werde ihm die Zeit geben, die er braucht, während ich geduldig meinen Zaunpfahl hin und her schwinge.

Nein mal im Ernst, mich interessiert das wirklich. Warum kann man das Töten eines Tieres problemlos damit rechtfertigen, dass es gut schmeckt, nicht aber damit, dass sein Fell schön flauschig ist oder dass man sich seinen Kopf gerne an die Wohnzimmerwand hängen möchte? Gibt es Gemüse und andere fleischlosen Alternativen nur in ausgewählten deutschen Supermärkten? Glauben manche Leute, dass Vegetarier ihre Seele verkaufen müssen, um nicht an Nährstoffmangel zu krepieren? Hat euch keiner gesagt, dass der Mensch laut Wissenschaftlern und Ärzten auch ohne Fleisch gesund leben kann; dass Vegetarier ihren omnivoren Kollegen in Sachen gesunder Ernährung sogar meistens weit überlegen sind?

„Heuchler!“, höre ich es aus der letzten Reihe schreien, bevor ich eine Antwort auf meine Fragen bekomme. „Für dein Gemüse und dein Brot sterben doch auch Mäuse und Insekten!“ Auch wenn ich plötzlich das Verlangen verspüre, meinen Kopf in eine Betonwand zu rammen, so bin ich doch auch positiv überrascht und erstaunt. Immerhin wurde mir nicht vorgeworfen, dass ich beim Laufen Ameisen zertrete oder im Schlaf Spinnen esse. Trotzdem ärgere ich darüber, dass man mir offensichtlich wieder nicht zugehört hat. Wenn es dem Menschen möglich wäre, von Luft und Liebe zu leben und über Krabbeltiere hinwegzuschweben, würde ich das selbstredend machen. Wenn ich genug Platz und Zeit hätte, mein eigenes Gemüse anzubauen, mein eigenes Getreide zu ernten und mein eigenes Mehl zu mahlen, würde ich auch das nur zu gerne machen. Aber so ist es nun einmal nicht, ich brauche weiterhin pflanzliche Nährstoffe zum überleben und bin darauf angewiesen, dass mich die Gärtnerei meines Vertrauens mit Obst, Gemüse und Getreideprodukten beliefert. Die Morde, die durch mich verursacht werden, lassen mich durch meine Lebensumstände tatsächlich nicht vermeiden. Fleisch, das kein Mensch zum überleben braucht, ist da eine andere Sache.

Wie gesagt, ich will niemanden missionieren. Esst nur so viel Fleisch wie ihr wollt, egal ob das billige vom Discounter oder das teure Qualitätszeug aus Bio-Schweinen, die vor lauter Glück über ihre 2,3 qm Lauffläche aus eigener Kraft zur Leberwurst digitiert sind. Tragt meinetwegen auch Pelzmäntel und knallt in eurer Freizeit Hirsche ab, wenn es euch Spaß macht. Interessiert mich nicht. Wenn ihr der Ansicht seid, dass der Mensch das Recht hat, Tiere zu seinem Vergnügen zu töten, dann bin ich die Letzte, die sich aus Protest nackt an die Wursttheke im Aldi kettet, eure Lederjacken in Brand setzt oder sich vor eure Flinte wirft. Nein, das ist dann eure Meinung, die euch per Gesetz zusteht. Ich werde diese Meinung nie nachvollziehen können, ich werde sie nie gutheißen können. Aber ich werde auch nicht versuchen, euch krampfhaft zum Veganismus zu bekehren. Fleisch, Pelz, Leder oder Jagd – das bleibt ganz alleine euch überlassen.

Bitte tut mir aber den Gefallen und steht konsequent zu eurer Meinung. Verurteilt Jäger und Pelzträger nicht für etwas, dessen ihr euch jeden Tag selbst schuldig macht. Inszeniert euch nicht als mitfühlende Tierfreunde, wenn euch das Schicksal der Rinder, Schweinen und Hühnern auf eurem Teller vollkommen egal ist. Regt euch nicht über sinnloses Töten auf, wenn ihr nicht bereit seid auf Fleisch zu verzichten, nur weil es zufällig gut schmeckt. Alle Tiere sind gleich, Hunde, Katzen und Löwen sind nicht gleicher als andere.

Ein fleischessender Tierfreund befindet sich auf der Facepalm-Skala etwa auf der Stufe eines Menschenfreundes bei Pegida.